„Masken sind doof“ - Demo wird zum Kultur-Event
Gesellschaft Von Anke Schlicht | am Mi., 11.11.2020 - 22:03
CELLE. „Sehr geehrter Herr Minister, Masken sind doof, wir kriegen keine Luft. Sagen Sie bitte den Lehrerinnen, dass wir ohne Maske bleiben wollen!“ Diesen kurzen Brief hat die kleine Fatima an Grant Hendrik Tonne geschrieben. Die achtjährige Grundschülerin war bei der heutigen Demonstration vor dem Kreistagsgebäude unter dem Motto „Freies Atmen für freie Kinder“ nicht dabei. Aber ihre Mutter Zuhra Gasa Nalieva hat die Bitte mitgebracht und dazu selbst gemalte Bilder ihrer Tochter. „Unsere Kinder quälen sich umsonst. Masken sind kein Medizinprodukt“, sagt die Cellerin. Warum nicht geforscht werde, was wirklich gegen Corona helfe, empört sich die besorgte Mutter und fügt angesichts von häufigem Stoßlüften gegen die Aerosole hinzu: „Außerdem frieren die Kinder in der Schule.“
Rund 30 Teilnehmer versammelten sich auf dem Landkreisgelände eine Stunde vor Beginn der Sitzung des Schulausschusses. Damit wurde die Resonanz den Erwartungen des Veranstalters, Gerald Christian, gerecht. „Ich mache das vor allem wegen meiner Kinder“, betonte der Meißendorfer zum Start des Protestes. Er ist AfD-Mitglied, hat aber die Veranstaltung nicht als solches angemeldet. Überwiegend sind es Mütter und Väter, die sich eingefunden haben, auch wenige Kinder sind dabei. Die Eltern vertreten die Meinung, dass die Maskenpflicht in Schulen die Schüler zu Hauptleidtragenden der unverhältnismäßigen Coronamaßnahmen der Landesregierung mache. „Ihr traumatisiert unsere Kinder“, „Kinderlachen statt Maske“, „Maske macht unsere Kinder krank“ ist auf den Transparenten zu lesen. „Ich hoffe, dass wir gehört werden“, sagt Tammy Kontor, ihr Sohn ist dreizehn und besucht das KAV. Sie hält die Pflicht zum Mund-Nasen-Schutz während des Unterrichts und auf dem Schulgelände für übertrieben. „Die Schüler erhalten doch kaum Gelegenheit, mal frei durchzuatmen“, berichtet Tammy Kontor. Auf die Frage, ob der Landkreis und die Kreistagsabgeordneten denn die richtigen Adressaten für den Protest seien, antwortet sie: „Ich habe keine Ahnung, wer der richtige Adressat ist. Im Moment sind wir doch alle Marionetten der Regierung“. Die allgemein auf Corona bezogene Aussage ist charakteristisch für die Gruppe der Demonstranten, deren Anliegen über die Sorge um das Wohl der Kinder teilweise hinausgeht. „Ich bin gekommen, weil ich die Corona-Politik für falsch halte“, nennt Hans-Jürgen Knoop als Motiv für seine Anwesenheit. Sein Sohn ist bereits in der 11. Klasse. „Der kommt klar damit“, sagt Knoop, dessen Mund-Nasen-Schutz mit „Maulkorb“ beschriftet ist. Dem Altenhagener geht es nicht um einzelne Verordnungen, sondern ums große Ganze. „Corona wird benutzt. Wir haben weniger Grundrechte als im Dritten Reich und alle gucken zu“, sagt er. Ein Statement, das Widerspruch hervorruft bei denjenigen, die ebenfalls mit Transparenten erschienen sind, aber das Motto der Aktion nicht teilen. Jonathan und Moritz sind 16 Jahre, haben keine Probleme mit dem Tragen von Mund-Nasen-Schutz und halten „Abstand zu Querdenkern“, sie sind gemeinsam mit einigen anderen der Gegenprotest, der durchaus ein Verhalten an den Tag legt, das gemeinhin denjenigen zugeschrieben wird, die gerne den Begriff „Lügenpresse“ in den Mund nehmen. Eine junge Frau bleibt beim Versuch, ein Gespräch über die Versammlung anzubahnen, zunächst stumm und sagt nach einer Weile: „Sie können gleich wieder gehen, ich rede nicht mit der Presse.“ Ein kurzer Dialog, der aufzeigt, welch bunter Mix an unterschiedlichen Gruppierungen sich auf dem Kreistagsgelände eingefunden hat. Während sich Diskussionen zwischen den einzelnen Vertretern verschiedener Lager entspinnen, hat einige Meter entfernt vom Protest gegen den Protest ein nicht ganz unbekannter Celler eine Runde von Zuhörern um sich geschart. Gerald Christian hatte zum Auftakt bereits den Programmpunkt „Gemeinsames Singen“ angekündigt, von einem prominenten Gast mit Konzertqualität jedoch nichts gesagt. Aus einer Demonstration wird ein kleines Kulturevent, als der Bariton Dietmar Sander zu singen beginnt. Alle Lieder kreisen um ein Thema, das kaum ein deutscher Künstler je besser besang als Marius Müller-Westernhagen: „Freiheit“.
Im weitesten Sinne ist es wohl die Wahrnehmung, etwas von diesem hohen Gut einzubüßen, die einige Teilnehmer der Versammlung, mit der der Veranstalter Gerald Christian sich als Fazit sehr zufrieden zeigt, veranlasst, der Einwohnerfragestunde zu Beginn der Sitzung des Schul- und Kulturausschusses zu nutzen. „Warum werden die Kinder nicht gehört?“, möchte ein Vater wissen. Kreisrat Frank Reimchen antwortet, das Kind könne per Attest vom Maskentragen befreit werden, allgemein sei es etwas anderes. „Aber wenn alle Kinder zum Arzt gehen, ist das nicht die Lösung“, antwortet der Vater. Auf welcher wissenschaftlichen Grundlage die Verordnungen gemacht würden, möchte ein anderer Einwohner wissen. Eine Mutter berichtet, sie habe den Eindruck, den Kindern werde in der Schule Angst gemacht, indem Drohszenarien aufgebaut würden. „Wir handeln aufgrund einer Verordnung, an der ich keine Zweifel habe und für Lehrer sind wir nicht zuständig“, antwortet Kreisrat Frank Reimchen, für den die Einwohnerfragestunde sichtlich eine Herausforderung darstellt, die zusätzlich erschwert wird durch einen ungeduldigen und unsachlichen Zwischenruf des SPD-Abgeordneten Mathias Pauls. Die Vorsitzende muss das Reglement anführen und darlegen, dass Abgeordnete die Fragen der Einwohner nicht zu kommentieren hätten, um Ruhe in den Saal zu bringen.
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