Eröffnung Haesler Rektorenhaus - Ministerpräsident Weil schließt "Bildungslücke"

Politik Von Redaktion | am Mo., 23.09.2019 - 23:17

CELLE. Seine Frau habe ihm Nachhilfe erteilen müssen, gesteht Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil gleich zu Beginn seines Grußwortes. Nach einem mehrstündigen Ausflug nach Celle vor einigen Monaten hatte sie ihm Haeslers Bauhäuser gezeigt, die ihm bis dahin völlig fremd schienen. "Danach bekam ich einiges zu hören über den Stand meiner Bildung im Allgemeinen und und niedersächsischer Besonderheiten im Einzelnen. Ich freue mich, dass mindestens ein Teil dieser aufgedeckten Bildungslücken heute geschlossen werden können", so Weil.



Das Outing des Ministerpräsidenten haben einige der geladenen Gäste bereits hinter sich - und dabei kommt ein Großteil von ihnen aus Celle. Rund 50 folgten der Einladung von Dr. Wulf Haack, Sprecher der Bürgerinitiative BauhausSchauhaus, unter ihnen Landrat Klaus Wiswe und Oberbürgermeister Dr. Jörg Nigge. Die Zeit von der Idee bis zur heutigen Eröffnung skizzierte der ehemalige Ratsvorsitzende Haack in seinem "Plädoyer für Haesler":
Fotos: Peter Müller

Celle hat mehr Bauten im Bauhausstil, als Weimar und Dessau zusammen. Und wir haben, was keine andre Stadt bieten kann:
- eine Bauhaus-Arbeiterwohnung
- einen Schulbau im Bauhausstil, der das Potential zum Weltkulturerbe hat
- und jetzt haben wir auch eine Bauhaus-Bürgerwohnung.

In diesem Sinne ein herzliches willkommen Namens der Bürgerinitiative „BauhausSchauhaus.“ und zugleich im Namen der Otto Haesler Stiftung, hier vertreten durch den Vorsitzenden Stadtbaurat Ulrich Kinder und den Geschäftsführer Rolf Becker, der unsere Initiative aktiv und hilfreich begleitet.

Es ist für uns eine ganz besondere Freude und Anerkennung, dass wir Sie, sehr geehrter Herr Ministerpräsident Weil, als Eröffnungsgast begrüßen dürfen. Ihre Anwesenheit ehrt die Bürgerinitiative und ihre Helfer und Unterstützer, die mit Geld und Sachleistungen dazu beigetragen haben, dass heute das Projekt „Bürgerliches Wohnen in der Bauhauszeit“ in einem ersten Abschnitt vorgestellt und damit gezeigt werden kann, wieviel Potential im Celler Bauhauserbe noch unentdeckt auf seine Freilegung wartet. Dabei ist die benachbarte Glasschule wohl das bekannteste und zugleich größte Potentiallager.
"Celle kann auch Bauhaus"

Im Bauhausjahr 2019 ist Celle für viele Touristen die große Entdeckung - eine bis dato weitgehend unbekannte Bauhausstadt mitten in Niedersachsen, ein Ort, der für die Routenplaner der Tourismusbranche ein MUSS werden wird. Und dafür ist Herr Klaus Lohmann, Geschäftsführer unsere Tourismusgesellschaft CTM, schon sehr erfolgreich tätig, wie wir den bundesweit vielen Veröffentlichungen über Celle als Bauhausstadt entnehmen können. Weiter so und herzlich willkommen.

Mit der Öffnung dieses Hauses, als ein begehbares Bürger-Wohnhaus, haben wir ein einmaliges Schaufenster in die Bauhauszeit geöffnet. Die Einrichtung stammt aus dem Besitz von Otto Haesler, aus Celler Familienbesitz und aus einer privaten Zustiftung. Und auf diese Präsentation im ehemaligen Rektorenhaus ist die Öffentlichkeit durch eine Ausstellung im Modehaus Dettmer& Müller gut vorbereitet worden. Im April und Mai des Jahres wurden im großen Schaufenster und im Hause selbst in zentraler Innenstadtlage viele der Objekte ausgestellt, die wir heute im BauhausSchauhaus sehen können. Das Schauhaus vorbereitet durch ein Schaufenster, eine einmalig kreative Aktion. Dem Inhaber des Modehauses, Roger Scherer, als Helfer und Spender ein herzlichen Dank und ein herzliches willkommen.

Das Celle im Konzert der Bauhausstädte ganz vor mitspielen kann verdanken wir insbesondere auch der Aufgeschlossenheit von Celler Kaufleuten, die in den 20er Jahren, gegen den Zeitgeist, der den Bauhausstil als kommunistisch kollektivistischen verwarf, Otto Haesler mit vielen Aufträgen im gewerblichen und privaten Bereich eine gesicherten Existenz in Celle ermöglicht haben. Das verdanken wir Harry Trüller, Ernst Steinberg, Fritz Maussner sen. und dem damaligen Oberbürgermeister Ernst Meyer.

Ich freue mich, dass wir mit Frau Lore Weise, einer Urenkelin von Harry Trüller und mit Frau Ursula Göttker, eine Tochter von Fritz Maussner sen., begrüßen können. Ohne dieses Bürgerengagement in den 20er Jahren wäre Celle nicht zu einem Zentrum der Bauhausarchitektur geworden. Aber auch fast 100 Jahre später wäre ohne Bürgerengagement aus dem Schauhaus nichts geworden, ohne die vielen großen und kleinen Spenden von Bürgern und ohne die Unterstützung der Sparkasse, der Stadtwerke und der WBG. Ganz wichtig für das Gelingen, mit einem BauhausSchauhaus in Celle etwas Einmaliges zu schaffen, ist auch die tatkräftige Unterstützung aus der Handwerkerschaft. Stellvertretend begrüße ich den Tischlermeister Andree Zoppke und den Malermeister Peter Waschitzki, die in großem Umfang Handwerksleistungen eingebracht haben. Das ist praktizierte Bürgerinitiative mit Pinsel uns Säge. Ohne ihre Hilfe, ohne unser Handwerk, würden die über Jahre gesammelten Einrichtungsgegenstände weiter in den Depots verstauben.

Unsere Fachwerkstadt mit der Bauhausarchitektur für einen neuen Besucherkreis attraktiv zu machen, ist Humus für den Wirtschaftsstandort Celle, ist die Grundlage für sichere und neue Arbeitsplätze. Die vielen Bauhausaktivitäten in unserer Stadt sind daher auch und in erster Linie aktive Wirtschaftsförderung. Und neue Tourismusangebote sind gute Nachrichten für sehr viele Menschen in unserer Stadt und im Landkreis, die im Tourismusbereich – dem größten Arbeitgeber in unserer Region - ihren Arbeitsplatz haben, in den Hotels, Gaststätten, Restaurants und im Innenstadthandel.

Dass wir heute hier die Eröffnung begehen können, verdanken wir auch unserer Feuerwehr, die vor zehn Jahren durch ihr schnelles Eingreifen verhindert hat, dass dieses Haus den Flammen zum Opfer fiel. Ich begrüße daher unseren Ortsbrandmeister Bernd Müller ganz besonders herzlich.

Wir begrüßen unseren Oberbürgermeister, Dr. Jörg Nigge, für uns als Bürgerinitiative, der Mutmacher. Das will ich erklären: Schon bei der Einrichtung der Arbeiter-Bauhauswohnung und dem Aufbau des HaeslerMuseums vor ca 20 Jahren war klar, dass in diesem Rektorenhaus eine Wohnung des gehobenen Bürgertums eingerichtet werden muss, um das vom damaligen Oberbürgermeister und Vorsitzenden der HaeslerStiftung, Martin Biermann, geprägte Motto „Wohnen und Leben in Bauhausarchitektur“ mit Leben zu erfüllen. Herzlich willkommen Herr Dr. Biermann und ebenso herzlich dem langjährigen ehrenamtlichen Museumsführer Rudi Meyer, der im Volksmund zu Recht den Namen HaeslerMeyer trägt.

Als ich damals erstmalig mit Landrat Klaus Wiswe dieses Haus betrat und über unsere Überlegungen berichtete, war der Kommentar: Ihr könnt es haben, wenn wir es nicht mehr für schulische Zwecke benötigen. Und jetzt ist es soweit: Herzlich Willkommen Herr Wiswe und ebenso herzlich Willkommen den obersten Repräsentanten des KAV Gymnasiums, Herrn Ostermeyer und Herrn Tilly. Der Landkreis hat aber noch viel mehr getan: Er hat die Originalfassung der Fassade von 1928 wiederentstehen lassen, und damit die fröhliche Strahlkraft dieses Hauses ins Stadtbild zurückgegeben!
"Die Mauer kloppe ich mit raus, aber Geld gibt es nicht"

Und in diesem Zusammenhang haben wir außerordentlich positive Erfahrung mit unserem Denkmalamt gemacht, als es um den Fensteranstrich ging, der nach einem Gutachten grün gewesen sein soll. An einem Freitag wurde ein aktuelleres Gutachten über den tatsächlichen Fensteranstrich unserem Denkmalschützer Knipscheer auf den Schreibtisch gelegt, am Montag kam er aus dem Urlaub zurück, der sofort Vorort der Sache auf den Grund ging. Am Dienstagnachmittag lag die die Bestätigung und Genehmigung vor und zwar nach Einschaltung des Landesdenkmalamts. Und am Mittwoch konnten die Maler termingerecht mit der historischen „braunrot“ Fensterfarbe beginnen. Noch schneller geht es nicht.

Als ich Anfang 2018 unserem Oberbürgermeister Dr. Jörg Nigge die Planung vortrug, war sein Kommentar: Gute Idee, ich bin persönlich dabei, die Mauer kloppe ich mit raus und helfe auch beim Anstreichen der Innenräume. Die Verwaltung wird helfen, wo sie kann, aber Geld gibt es nicht. Denn Geld hat die Stadt nicht. Dass war eine bittere Nachricht. Aber es war auch eine gute Nachricht, dass Sie, sehr geehrter Herr Dr. Nigge, persönlich hinter diesem Projekt stehen. Herzlich willkommen als Unterstützer und Mutmacher. Und die Stadt hat uns über das Bomann-Museum geholfen. Ohne diese Hilfe wäre das Projekt auf der Strecke geblieben. Ich begrüße daher ganz herzlich Herr Dr. Jochen Meiners und seinen Mitarbeiter Christian Lüning-Reger.

In Abwandlung eines bekannten Wahlspruch, „Celle kann mehr, Celle kann auch Bauhaus.“ war das Gespräch im Dienstzimmer des Oberbürgermeister die Geburtsstunde der Bürgerinitiative „BauhausSchauhaus“, heute hier vertreten durch
die Werbedesignerin Kristina Tochtermann,
den Architekten Frank Simon,
den Berufsfotografen Ingo Misiak,
die Architektin Ann-Christin Wittek,
die Dipl. Designerin Silke Wend und
und den ehemaligen WBG Geschäftsführer Siegfried Hildebrand.

Die Eröffnung heute ist erst ein Anfang, ist ein Anzeiger für bislang ungehobenes Potential. Die Einrichtung für die Küche, für das Schlaf-, Kinder- und Mädchenzimmer ist vorhanden, um das ganze Haus im Wohnstil der Bauhauszeit einzurichten. Um das zu erreichen muss bei jeder Gelegenheit – auch heute – um Spenden gebeten werden, damit das BauhausSchauhaus in Celle nicht nur eine Sternschnuppe bleibt, sondern zum Polarstern wird, der die Richtung zu bislang ungehobenen Potentialen zeigt. Als Sammelbehältnis für Barspenden haben wir eine extra große Milchkanne angeschafft, aber auch ein Konto angelegt – beides gut zu bedienen und die Chance dafür, dass es weitergeht, wenn das Haus frei wird."
Wer war Otto Haesler? (von Wulf Haack)

Steil nach oben, je abstürzend und holprig auslaufend – die Fieberkurs einer Architektenkarriere in Deutschland zwischen 1920 und 1950

Die berufliche Karriere von Otto Haesler wurde in seinem 53 Lebensjahr, auf der Höhe seiner Schaffenskraft, mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten abrupt beendet. Er geriet in Vergessenheit. Die Lebenskurve verlief von der weltweiten Anerkennung, zum finanziellen Absturz in die Verelendung und endet schließlich kaltgestellt in der DDR, allerdings ohne wirtschaftliche Not und mit Orden, BMW und Professorentitel.

Der kometenhafte Aufstieg begann im Mai 1928 mit der Altstädter Schule. Dieses Bauwerk löste eine Völkerwanderung nach Celle aus,von Architekten, Politikern und Schulfachleuten. Weltweit berichteten alle bedeutenden Architekturzeitschriften über diesen Schulbau. Dieses Bauwerk hat auch heute nichts von seiner Genialität, Bedeutung und Einmaligkeit verloren. Es gibt Wege, das der Öffentlichkeit nachhaltig wieder in Erinnerung zu bringen: Die Anerkennung als Weltkulturerbe - ein langes, mühsames und aufwendiges Verfahren – was wir uns z.Zt. schon finanziell nicht leisten können, aber man muss auf dieses Ziel zuarbeiten, muss es auch wollen, zumindest aber ernsthaft dieses Ziel verfolgen, auch weil dieser Titel für den Tourismus wie eine Goldader wirkt.

1930 wollte Walter Gropius Haesler zum Direktor des Bauhauses in Dessau machen. Er schrieb an einen Vertrauten in Dessau am 16.5.1930 aus Paris (Zitat): Ich fürchte fast, dass es nicht mehr gelingen wird, Haesler, den ich nach vielem Nachdenken für den geeignetsten halte, die Leitung zu übernehmen, sicher gewinnen zu können. In jedem fall sollte aber der Versuch gemacht werden, seine Bedingungen werden hoch sein, denn sein ruf ist in der letzten zeit bedeutend gestiegen, und er will vor allen dingen bauen. als Persönlichkeit ist er denkbar verlässlich, mit rückrat und ruhigen nerven begabt.“ Aber Haesler lehnte ab.

1931 hätte Haesler Stadtbaurat von Frankfurt werden können, und wollte diese im Deutschen Reich bestbezahlte Stelle auch. Aber er wollte auf die Stelle berufen werden und lehnte auch eine persönliche Vorstellung ab. (wörtlich), „wenn die Entscheidung meiner Eignung bereits vorausgegangen ist. Daher ist mir natürlich auch eine Vorstellung zum Zwecke der Bewerbung nicht möglich“. schrieb er am 21.1.1931 den Vorsitzenden der Stadtverordnetenversammlung. Daraus wurde daher auch nichts.

Auf der Berliner Bauausstellung von 1931 war Haesler mit mehreren Beiträgen vertreten. Das war für die Entwicklung der Bauhausarchitektur die zentrale Veranstaltung. Er erhielt für seine Beiträge eine Verdienstmedaille.
1932 fand in New York im Museum of modern Art die erste Großausstellung zur Bauhausarchitektur statt. Ein Zitat aus dem Katalog: „Otto Haesler ist der bedeutendste Siedlungsarchitekt in Deutschland, vielleicht in der Welt, seit Deutschland andere Nationen in der Lösung der Siedlungsprobleme weit überholt hat.

Im Mai 1932 hatte Haesler in Hannover in der Kestner Gesellschaft die letzte Ausstellung über seine moderne Baukultur. Der Katalog über die Ausstellung wird in einer Bearbeitung von Herrn Dr. Eckart Rüsch als Reprint von der HaeslerStiftung in diesem Jahr veröffentlicht.

Am 20.4.1932 gründete Haesler die „heimtyp ag“, eine AG zur Errichtung typisierter Eigenheime. Das Material wurde gekauft, ein Vertreternetz aufgebaut, Anzeigen geschaltet und ein Katalog aufgelegt, gestaltet von Kurt Schwitters, dem Haesler freundschaftlich verbunden war. Eine tolle Idee, Häuser per Katalog, zu verkaufen, aber 3o Jahre zu früh. Kein einziges Haus fand einen Käufer. Das war für Haesler der wirtschaftlich der Ruin, Offenbarungseid und Beugehaft eingeschlossen.

Mit der Machergreifung der Nazis begann für Otto Haesler praktisch ein Berufsverbot. Gropius wollte Haesler nach England und Schwitters nach Norwegen in die Emigration nachholen, der aber ablehnte, „da er ohne eigene Sprachkenntnisse mit 4 Kindern in der Ausbildung dort nur verhungern“ könnte.

In Celle war kein Bleiben mehr. Er zog mit seiner Familie am 23.9.1934 nach Eutin. Von dort schrieb er am 23. Dezember 1937 an Hugo Häring, ich zitiere: „Seit dreieinhalb Jahren hier zurückgezogen habe ich allerhand in dieser Zeit auszukosten gehabt. Während der ersten beiden Jahre war es mir unmöglich hier auch nur den kleinsten Auftrag herein zu bekommen dabei ging der Gerichtsvollzieher ein und aus und es war ein Glück dass er einsichtig war. dann ging das letzte Geld dahin und ich musste das Wohlfahrtsamt und die Winter Hilfe in Anspruch nehmen.“

Haesler ging 1945 in die SBZ und war auch noch in der DDR beruflich tätig, anfangs beim Wiederaufbau von Rathenow und den ersten Untersuchungen über die Wiedraufbaumöglichkeit des kriegszerstörten Zeughauses. 1954 wurde er beruflich kaltgestellt, letztendlich, weil er mit dem Begriff „Kollektiv“ nichts anzufangen wusste und erglaubte, in der DDR eine eigene Meinung haben zu dürfen.

SPENDENKONTO
Den Spendern werde auf Wunsch von der Haesler Stiftung eine Spendenbescheinigung ausgestellt.
Otto Haesler Stiftung

Konto Nr. DE11 2575 0001 0091 9466 08
Verwendungszweck „Freundeskreis Rektorenhaus“