Hängt "Einkaufstadt Celle" Hamburg ab? "Vergleich grenzwertig"

Wirtschaft Von Peter Fehlhaber | am Do., 21.11.2019 - 15:19

HAMBURG/CELLE. "Wer hätte das gedacht, dass Celle weit vor Metropolen wie Hamburg oder Hannover rangiert? Das besagt der jüngste Einzelhandelsindex, den die Immobilienbewertungsgesellschaft Comfort Hamburg GmbH erhoben hat" - so feiert die Stadt Celle den vermeintlichen Erfolg in ihrer jüngsten Pressemitteilung und das Hausblatt hat diese nahezu 1:1 wie gewohnt ohne Faktencheck eilig veröffentlicht. Das zitierte Unternehmen jedoch wundert sich: Es habe aktuell weder neue Zahlen veröffentlicht noch seien diese so wie dargestellt vergleichbar.

Auf Nachfrage von CELLEHEUTE erklärt Comfort-Geschäftsführer Olaf Petersen: "Der Vergleich mit Städten ganz anderer Größenklasse (Braunschweig, Hannover oder gar Hamburg) – wie in der Grafik geschehen (siehe unten)-  ist methodisch überhaupt nicht haltbar. Schon der Vergleich mit den doppelt so großen Städten (Oldenburg, Göttingen oder Osnabrück) ist grenzwertig." Die Zahlen seien bereits im Februar dieses Jahres veröffentlicht worden. Dennoch sei es korrekt, "dass die Zentralitäts-Zahlen zu Celle in den letzten Jahren merklich gestiegen sind", so Petersen. Aber man könne sie nur mit Orten wie Hameln oder Hildesheim vergleichen, die beide besser dastehen als Celle. 

In der Mitteilung der Stadt Celle heißt es, ungekürzt und unzensiert:

"Demnach rangiert unsere Stadt bei der Einzelhandelszentralität bezogen auf die Einwohnerzahlen nach Hameln sogar auf Platz vier der elf Vergleichsstädte (s. Grafik).  Das bedeutet, die Attraktivität der Einkaufsstadt Celle ist stark gestiegen und zwar von 134,2 auf 147 Punkte.

Für Oberbürgermeister Dr. Jörg Nigge bedeutet das: „Wir sind auf dem richtigen Weg!“ Er meint damit unter anderem die Innenstadt-Offensive der Verwaltung. „Es ist uns gelungen, den Leerstand in den letzten zwei Jahren um circa ein Drittel zu reduzieren und rund 30 neue, innovative inhabergeführte Geschäfte in der City zu anzusiedeln.“ Mit den hochwertigen Pflanzkübeln nebst integrierten Sitzbänken, die engagierte Celler Unternehmen durch Spenden möglich machten, hat sich die Aufenthaltsqualität in den Straßen und Gassen gesteigert. Zahlreiche Veranstaltungen locken die Menschen in die Innenstadt. „Unser neuer Wohnmobilplatz hat sich in kürzester Zeit zum Hotspot der Szene entwickelt. Die Gäste sind ein weiterer Garant für die Umsätze in der Stadt“, freut sich der OB. „Und ich weiß aus eigener Erfahrung, dass so mancher Tagestourist dem Charme Celles erliegt und es bedauert, nur so wenig Zeit zum Aufenthalt und Einkauf zu haben. Das heißt, die Menschen müssen uns einfach nochmal besuchen.“ 

Hinzu kommt, dass Celle einen Solitärstandort in der Region einnimmt. „Wir entwickeln damit eine gewisse Sogwirkung für den ländlichen Raum“, weiß Wirtschaftsförderer Thomas Faber. „Hannover und Hamburg liegen da für viele eben nicht nahe bei.“ Sogwirkung entwickelt auch Niedersachsens größtes Möbelhaus an der B 3, das Kunden und damit Kaufkraft in die Residenzstadt zieht. „Ansiedlungsinteressenten attestieren uns in letzter Zeit vermehrt, dass Celle im Gegensatz zu Städten ähnlicher Größenordnung eine gesunde Innenstadt aufweist“, berichtet Faber.

Das ist für OB Nigge Lob und Ansporn zugleich: „Zum einen ist das gute Abschneiden ein wichtiger Indikator dafür, dass sich unsere Ansiedlungspolitik auszahlt. Zum anderen verdanken wir das dem engagierten Zusammenspiel unterschiedlicher Fachdienste der Verwaltung - von der Wirtschafts- bis zur Städtebauförderung.“

Ein weiterer Baustein ist die jüngst gestartete Altstadt-Offensive: Dabei werden den Eigentümern der Altstadt-Immobilien im Rahmen einer Infoveranstaltung neue und innovative Möglichkeiten aufgezeigt, um die Immobilie so aufzuwerten und zu sanieren, dass sie ein begehrtes Wohnobjekt wird. Dies wird mittelfristig eine weitere wichtige Komponente in der Entwicklung der Altstadt sein und diese weiter beleben.

Entsprechend blickt Nigge optimistisch in die Zukunft: „Wir machen weiterhin alles möglich und bieten unseren Interessenten individuelle, maßgeschneiderte Lösungen an. Von daher bin ich zuversichtlich, dass wir unseren Platz in der Einzelhandelszentralität nicht nur verteidigen, sondern weiter ausbauen können.“

Was bedeutet Einzelhandelszentralität?

Marktforschungsinstitute und Immobilienbewertungsgesellschaften erheben diese Variablen regelmäßig zum Vergleich der Innenstädte. Sie sind Indikator für den Kaufkraftzufluss beziehungsweise -abfluss einer Stadt und eignen sich zur Bestimmung der Attraktivität eines Einzelhandelsstandortes. Dabei wird die Nachfrage der Einwohner am Wohnort – die sogenannte Einzelhandelskaufkraft – den Umsätzen im Einzelhandel gegenübergestellt. Liegt der Wert unter 100, bedeutet das: Kaufkraft fließt ab. Bei einem Wert über 100 werden Kaufkraftzuflüsse aus dem Umland generiert.