Geplanter Abriss der Nordwall-Halle erregt überregional Aufmerksamkeit

Gesellschaft Von Anke Schlicht | am Fr., 15.05.2020 - 09:15

CELLE. In Fachkreisen wird sie als exzellente Plattform bezeichnet, im Jahr 2018 erhielten die Redakteure hinter dem Online-Magazin „moderneREGIONAL“ den Internetpreis für Denkmalschutz des Deutschen Nationalkomitees für Denkmalschutz zugesprochen. In diesem Frühjahr widmete sich das Medium für Baukunst des 20. Jahrhunderts auch einem Celler Thema: „Die elegante Leimbinder-Konstruktion aus dem Jahr 1913 soll 2020 fallen“ titelten sie über das von den lokalen Entscheidungsträgern besiegelte Schicksal der Nordwall-Halle.

Der im Rahmen der umfassenden Neugestaltung des Nordwalls beschlossene Abriss des traditionsreichen, aber nicht unter Denkmalschutz stehenden Hauses wird überregional wahrgenommen. Das „Netzwerk Baukultur in Niedersachsen“ berichtet in seinem April-Newsletter über den anstehenden Rückbau, der Redakteur der renommierten Hamburger Zeitschrift „Industrie-Kultur“, Sven Bardura, steht mit dem Vorstand der Bürgerinitiative (BI) „Nordwall-Halle für Kultur und Sport“, die für den Erhalt kämpft, in Kontakt. Er plant aktuell einen Beitrag. „Auch ein Holzbauingenieur der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde hat sich gemeldet“, teilt das BI-Vorstandsmitglied Dr. Lothar Haas mit. Der Eberswalder Experte regte mit Blick auf das seltene Tragewerk aus gebogenen Holzleimbindern an, die Räumlichkeiten zu nutzen für Schulungen oder Beratungen, wie historische Bausubstanz schonend erhalten werden könne. Ein ähnliches Gebäude beherberge in Eberswalde städtische Einrichtungen und diene als Bürgerhaus.

Die BI musste ihre für Ende März geplante Zusammenkunft coronabedingt absagen, nicht etwa weil sie sich durch den Beschluss des Verwaltungsausschusses (VA) vom 25. Februar, die Halle abzureißen, entmutigen lässt. „Wir sind nicht blauäugig, wir geben aber auch nicht so ohne Weiteres auf“, betont Kulturpreisträger Lothar Haas. Das Gebäude steht der Verkehrsführung nicht im Wege, die Stadt argumentiert als Eigentümerin mit den hohen Unterhaltungskosten ohne klares Nutzungskonzept. Die bisherigen Nutzer, der MTV Celle, hat keine Anstrengungen unternommen, am angestammten Ort zu verweilen, er ist ausgezogen, ihm wurde ein Neubau außerhalb der denkmalgeschützten Altstadt avisiert. Die von der BI geplante Machbarkeitsstudie und darauf basierende Vorschläge für ein modernes Verwendungskonzept wurden durch die Entscheidung des Verwaltungsausschusses zunichte gemacht.

Öffentlich, also im Stadtrat, ist bisher über das Thema, die MTV-Halle zu erhalten oder zurückzubauen, nicht diskutiert worden. Ein Dringlichkeitsantrag, der dieses Ziel verfolgte, wurde in der jüngsten Ratssitzung am 27. Februar abgewiesen. Die Justiziarin im Rathaus, Katharina Martin, hatte gegen die Aufnahme auf die Tagesordnung argumentiert, eine vom Verwaltungsausschuss getroffene Entscheidung sei endgültig. „Diese Aussage ist rechtlich nicht zutreffend“, wendet der BI-Vorsitzende ein, „grundsätzlich kann der Rat den VA nicht korrigieren, er kann ein Thema aber an sich ziehen nach getroffener Entscheidung, wenn die Entscheidung noch geändert werden kann“, erläutert der BI-Vorsitzende basierend auf drei Kommentaren renommierter Experten zum Niedersächsischen Kommunalverfassungs-Gesetz (NKomVG). „Die Justiziarin findet weder in der Gesetzgebung noch in der juristischen Literatur Unterstützung für ihre Aussage. Sie lässt sich aus dem Gesetzestext allein nicht herauslesen“, sagt Haas. Eine Erklärung für die Abweisung des Dringlichkeitsantrages mit dieser Argumentation stellt für ihn die Kürze der Zeit dar: „Es verlief alles recht überstürzt“.

Als Konsequenz werden Ratsmitglieder nun zwei Anträge stellen, die das Ziel verfolgen, auf der kommenden Stadtratssitzung am 28. Mai über die Zukunft der MTV-Halle zu diskutieren und darüber zu entscheiden, ob die Bagger rollen oder ob das historische Gebäude den Grundstein für eine Verbindung von Altem und Neuem in einem entstehenden Quartier legt. „Alt und Neu nebeneinander – das ist normal bei der Entwicklung einer Stadt“, sagt Haas und ergänzt vor dem Hintergrund der wahrgenommenen Resonanz in den letzten Wochen und mit Blick auf ein mögliches Überdenken der gefassten Pläne: „Das wäre eine grundsätzliche Chance für die Stadt.“