Schulleiter machen sich Luft bei Grant Hendrik Tonne
Kultur + Gesellschaft Von Anke Schlicht | am Do., 07.10.2021 - 09:01
CELLE. Die Schulleiter standen vor dem Mikrofon in der Congress Union Schlange, um ihre Anliegen und Fragen an den niedersächsischen Kultusminister Grant Hendrik Tonne loszuwerden. Anlass war die Herbsttagung des Schulleitungsverbandes Niedersachsen e.V. (SLVN) in der Congress Union. Tonne hatte nur für wenige Antworten parat.
An das genaue Jahr des Besuchs von Grant Hendrik Tonne in seiner Schule erinnert sich Jan Runge nicht mehr, sicher ist jedoch, dass er schon einige Jahre zurückliegt und er damals dem niedersächsischen Kultusminister die Probleme seiner Einrichtung geschildert hat. „Getan hat sich seither nichts“, sagt der Leiter der Hauptschule Damme im Landkreis Vechta. Nun versuchte er erneut, den Bildungspolitiker in die Pflicht zu nehmen. Anlass bot die Herbsttagung und Mitgliederversammlung des Schulleiterverbandes Niedersachsen e.V. (SLVN) in der Celler Congress Union.
Runge ist nur einer von zahlreichen Teilnehmern, die sich mit ausreichendem Coronaregel-Abstand vor dem Mikrofon in der Mitte des Saals aufstellen, um ihre Fragen und Anliegen gegenüber dem Minister vorzubringen. Ohne zeitliche Limitierung wäre die Reihe wohl noch viel länger gewesen. Die Eindringlichkeit, die Vehemenz, der Nachdruck, mit dem die Pädagogen vortragen, rückt die Vermutung in die Nähe des Wahrscheinlichen. „Herr Tonne, bitte sorgen Sie dafür, dass ich meinen Job machen kann, bitte!“, appelliert der Grundschulleiter an den Minister. „Die Inklusionsrate beträgt in unserer Hauptschule 27 Prozent, die Digitalisierung steht an, die Fleischbranche ist bei uns sehr aktiv, daher haben wir Schüler und Schülerinnen aus Bulgarien und Rumänien, die in der deutschen Sprache unterrichtet werden müssen“, gibt Runge Einblick in den Alltag. Grant Hendrik Tonne hatte in seiner vorangegangenen Rede die Bedeutung von Demokratiebildung angesprochen. „Schulen sind eine wesentliche Stütze unserer Demokratie“, sagte er und wies darauf hin, dass sein entsprechender Erlass aus dem Juni Niedersachsen ein Alleinstellungsmerkmal verleihe. „Ich finde Demokratiebildung sehr wichtig, ich müsste den Erlass umsetzen, aber ich kann es nicht“, schildert Runge sein Dilemma, das in zu vielen Aufgaben und zu wenigen personellen Ressourcen besteht. Er bräuchte dringend A13-Stellen, so wie sie Oberschulen und Realschulen bekommen haben. Grund- und Hauptschulen sieht er benachteiligt, das Motiv erschließt sich ihm nicht. „Warum?“, fragt er den Minister wie seinerzeit beim Vor-Ort-Termin.
Ein im Elementarbereich tätiger Kollege konfrontiert den Gast aus Hannover mit einem ähnlichen Problem: „Die Attraktivität der Schulleitungen an Grundschulen nimmt immer mehr ab, die Bürokratie und Verordnungen nehmen immer mehr zu – eine Katastrophe. Herr Tonne, bitte, bitte verbessern Sie unsere Grundschulsituation.“ Als nächstes meldet sich der Leiter der Integrierten Gesamtschule Roderbruch in Hannover zu Wort: „Ich möchte Sie bitten, mal auf das Portal zur Antragstellung beim regionalen Landesamt zu gehen. Probieren Sie das mal aus. Wenn Sie ein solches Portal auf den Weg bringen, dann lassen Sie es bitte im Vorfeld testen“, regte der Pädagoge mit Nachdruck an und ergänzte, wenn man beim Landesamt anriefe, höre man stets Klagen über zu geringe Personalausstattung. Eine weitere Beschwerde nahm vor dem Hintergrund „massiver Bedrängung durch Masken- und Testverweigerer“ unter den Eltern einen Ministerbrief ins Visier, der die Schulen anwies, die Kinder, die nicht in die Schule geschickt würden, mit Arbeitsmaterialien auszustatten. „Damit wird alles ausgehebelt, die Eltern berufen sich auf diesen Brief und feixen. Ich frage Sie, was ist das für eine Unterstützung?“
„Die Formulierung im Ministerbrief war falsch“, gab Grant Hendrik Tonne offen zu. Insgesamt zeigte er Verständnis für alle Anliegen, widersprach nicht, wies in einem Fall, der zutage förderte, dass eine sinnvolle Regelung zur Ansammlung von Stundenkontingenten aufgehoben wurde, auf Bundesgesetzgebung hin oder entschuldigte sich: „Es tut mir leid, ich würde Ihnen gerne Konkreteres mit auf den Weg geben.“
Jan Runge hat keine großen Erwartungen, dass sein erneuter Versuch, die Missstände an oberster Stelle zu adressieren, spürbare Verbesserungen bringen werde. Als Antwort erhielt er vom Minister die Zusicherung: „Ich nehme das als Teil des großen Arbeitspaketes mit.“
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