"Umwälzungen dürfen uns nicht trennen"

Leserbeiträge Von Extern | am Mo., 22.03.2021 - 18:28

Pastor Hildebrandt Proell schreibt zur Situation in Altencelle: "Schon gut drei Jahre bin ich Pastor in diesem liebenswerten Ort Altencelle, lang genug, um hier zu Hause zu sein. Lang genug, dass ich hier auch das „normale“ Gemeindeleben erlebt habe. 'Normal' war es, als uns noch Menschen aus unserem Leben vor Altencelle besuchen konnten. Die wunderten sich über die roten Banner an den Straßen: 'Was ist denn hier los?' Die Banner in und um Altencelle vermitteln zunächst keine so liebenswerte Stimmung. Aber als Zugezogener stand es mir nicht zu, mich auf eine Seite zu schlagen, Umgehung ja oder nein? Denn das hat eine Geschichte, eine sehr lange Geschichte.

Da rattert wirklich eine Menge Verkehr über die Alte Dorfstraße, riesige LKWs aus Osteuropa zum Beispiel. Das da etwas passieren muss wird einem schnell klar. Spätestens, wenn man sich mit dem Fahrrad oder zu Fuß durch den Stau in der Rushhour geschlängelt hat, um Richtung Burg zu kommen. Und erst mal die direkten Anwohner, sie leiden. Schon lange.

„Normal“ ist in vieler Hinsicht lange her; nicht nur Corona hat uns durcheinandergewirbelt. Aber in Altencelle haben wir die Allerauen hinter der historischen Kirche direkt vor der Nase, können also aus der Tür in die Natur und manche Sorge einfach mal hinter uns lassen. Liebenswert, ja lieblich ist die Gegend mit den Auen und dem Fluss und den alten Bäumen.

Ja, die alten Bäume.... Uralte Eichen wurden letzte Woche zurechtgestutzt und werden bald ganz gefällt sein, direkt am Friedhof hinter der Kirche. Pinke Hölzer markieren den Verlauf der neuen Trasse. Da wird die Umgehung lang geführt. Ich möchte es mir gar nicht vorstellen, wie nah die Laster dann vorbei brettern, wenn wir auf dem Friedhof ein Gemeindeglied beerdigen. 
Ob die Menschen das bedacht haben, die so entschieden haben? Meine Familie und ich, wir sind wie gesagt erst relativ kurz hier zu Hause... Mit dem Baulärm wird es bald losgehen, aber um unser persönliches Wohlbefinden geht gar nicht so sehr.

Es drängen sich die Frage auf: Passt so ein Bauwerk noch in die Zeit? Neben mir auf dem Schreibtisch liegt die Fastenbroschüre „So viel du brauchst“. Sie will zu einer bewussten Gestaltung der Passionszeit helfen. Das ist eine Aktion der Kirchen zur Klimagerechtigkeit: CO2, Feinstaub, Biodiversität, Verkehrswende. Das bewegt mich und das bewegt viele. Genauso bewegt uns die Frage, wann wir wieder Gemeinschaft leben können, in fröhlichen Gottesdiensten, beim Singen und Feiern. Die Umwälzungen der kleinen und der großen Welt - sie dürfen uns nicht trennen!"